Technisches Gestalten mit Textilien
Technisches Gestalten
Für mich ein Beruf für Kopf, Herz und Hand
Seit 1981 unterrichte ich im Schulhaus Rüeggisingen das Fach „Textiles Gestalten“. Mein wichtigstes Ziel war dabei immer, die Kinder für dieses kreativ handwerkliche Schulfach zu begeistern.
Vor etwa 15 Jahren habe ich begonnen, meine Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern, sie abzuholen, wo sie stehen und vermehrt auf ihre Begabungen und Interessen einzugehen: Jedes Kind bekommt die Chance, im handwerklichen Bereich zu einem guten Ergebnis zu gelangen, da seine Begabungen gefördert und seine Schwächen erkannt werden.
Kindern, die in verschiedenen Bereichen Schwächen aufweisen, zeige ich einen Weg auf, ihr Defizit aufzuholen.
Integration in eine andere Klasse
Statt ihren schulfreien Nachmittag zu Hause zu verbringen, wo es oft langweilig ist, integriere ich verhaltensauffällige Kinder, die meistens über ein geringes Selbstwertgefühl verfügen, in eine andere Klasse. Auch IS- Kinder bekommen diese Möglichkeit.
Jene Klasse wird von mir gezielt darauf vorbereitet, dass sie so genannte „Hilfssheriffs“ sein dürfen. Dabei kommen ihre individuellen Fähigkeiten zum Zug.
Natürlich ist es sehr wichtig, dass ich den Kindern dieser Klasse als Gegenleistung auch etwas biete. Viele Jahre schon biete ich besonders begabten und begeisterten Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, ebenfalls zusätzlich für einen bestimmten „Wunschgegenstand“ einmal pro Woche über den Mittag in die Handarbeit zu kommen. Natürlich nur mit einem mitgebrachten Mittagslunch. Oft findet sich da eine kunterbunt zusammen gewürfelte Schülerschar verschiedenen Alters ein. Es herrscht dann jeweils eine äusserst angenehme Atmosphäre: Ein emsiges Treiben ohne Leistungsdruck, aber mit viel Enthusiasmus und Begeisterung für ihre Arbeit.
Die Schülerinnen und Schüler geniessen dieses Zusammensein ausserhalb ihrer Klasse und oft findet ein reger Austausch ihrer Interessen und Begabungen statt.
Ich durfte erleben, wie Kinder mit dem Aufholen ihres Defizits im handwerklichen Bereich, eine Steigerung ihres Selbstwertgefühls erfahren durften und immer mehr auch ihr auffälliges Verhalten ablegten.
Die schönsten Momente erlebe ich, wenn Kinder irgendwann vom schwachen zum starken Schüler werden und ihrerseits zum „Helfen“ erkoren werden.
Für die Kinder ein Fach für Kopf, Herz und Hand
In den vielen Jahren meiner Unterrichtstätigkeit habe ich bei unseren Kindern viele Veränderungen in ihrem Umfeld festgestellt und damit verbunden ihre Art, wie sie ihre Freizeit gestalten. Eines hat sich aber in meinen Augen nicht verändert: nämlich der Wille, selber seine Stärken zu entdecken. Stärken, die, wie wir wissen, ganz individuell sind.
Leider ist in unserer Gesellschaft und damit auch bei den meisten Eltern, immer noch der Gedanke verankert, dass nur die Fächer: Mathematik, Deutsch und nun auch noch die Fremdsprachen zu einer guten Bildung zählen.
Dass aber heute bei vielen handwerklichen Berufen qualifiziertes Personal fehlt, weil der Grundstein im Elternhaus und in der Schule nicht gelegt wurde, ist eine Tatsache.
Ich finde, Kinder sollten erfahren dürfen, dass alle Schulfächer für eine berufliche Laufbahn wichtig sind. Wenn nämlich jedes Kind erlebt, dass seine Stärken im handwerklich, kreativ-musischen Bereich genauso zählen, können wir ihnen ganz viel vom Leistungsdruck nehmen:
Ausserdem ist wissenschaftlich belegt, dass über die musisch kreativen Fächer beide Hirnhälften vernetzt werden, also eine gute Voraussetzung für die kopflastigen Fächer wie Mathematik geschaffen wird.
Heidi Jost